Er war cool, hip und lässig. Er war schwarz. Er entstammte der Post-Punk-Underground Szene New Yorks und mischte die Kunstwelt dort auf. Ohne Akademie-Ausbildung wurde er dennoch zu einem Wunderkind in der Malerei. Seine Freunde waren Andy Warhol, Keith Haring und Grace Jones. Mit Madonna hatte er eine Affäre. Jean-Michel Basquiat, Maler, Zeichner, Musiker und Entertainer, heute einer der teuersten Künstler der Welt. Immer noch unvergessen und immer noch der unsterbliche Rebell der Kunstszene.
Seit 30 Jahren wurde Basquiat nicht mehr umfassend in Deutschland in einer öffentlichen Sammlung gezeigt, die Schirn Kunsthalle in Frankfurt ändert dies nun. Mit über 100 Werke, teilweise noch nie in Deutschland gezeigt, bietet sie eine weitreichende und eindringliche Ausstellung, die in Kooperation mit dem Barbican Centre in London entstand. Die Arbeiten Basquiats werden in Beziehung mit Textelementen, Musik, Film und Fernsehen gesetzt und zeigen so einen übergeordneten Zusammenhang.
Zu Beginn der Ausstellung wird Basquiat vorgestellt, es wird gezeigt wie er nach außen wirken wollte, wie er war, jung und lebenslustig, charismatisch. Eine Reihe Fotografien aus dem Besitz des amerikanischen Philosophen und Künstler Henry Flynts zeigen seine ersten gesprayten Schriftzeichen, seine ersten Sätze und Worte an Häuserwänden, signiert mit SAMO©. Dann geht es weiter, zu ersten Werken von Basquiat. Daneben werden Dokumentationen aus der Zeit des jungen Künstlers präsentiert. Zudem Arbeiten, in denen er andere Künstler, die ihm wichtig waren, zitiert und reflektiert, wie Andy Warhol oder Pablo Picasso. Zwischendurch wird eine Nähe zu Jean Michel Basquiat durch Interviews, Filme und Tonbandaufnahmen, aufgebaut. Sein Hip Hop Stück, das er zusammen mit K-Rob und Rammellzee aufnahm, wird eingespielt. Es bleibt die einzige Platte, bei der er mitwirkte. Das facettenreiche Schaffen Basquiats wird beleuchtet und veranschaulicht, auch wenn es mehr Werke hätten sein können, ist es doch eine anschauliche und Überblick bietende Ausstellung.
1960 in New York geboren, mit Wurzeln in Puerto Rico durch seine Mutter und Haiti durch seinen Vater. Als Schwarzer und junger Künstler in den USA anerkannt zu werden, war nicht einfach, schon gar nicht in dieser Zeit. Er war einer der ersten schwarzen Künstler, der es schaffte sich einen Namen in einer von Weißen dominierten Kunstwelt zu machen. Basquiat schaffte es, das schwarze Leben in den USA auf eindringliche Weise wiederzugeben und so auch die Schwere, die Probleme, die Hürden, die mit der Hautfarbe verbunden waren.
„Als er starb, war mir sofort klar, welches Szenario herhalten musste, um ihn mit Erklärungen in den Griff zu bekommen: zu viel in zu kurzer Zeit, eine disziplinlose Gier nach Leben. Es ist das Wesen der Medienbestie, das Komplexe zu simplifizieren, dass es bis zur Unerkenntlichkeit entstellt wird.“[1]
Basquiat wurde allzu oft als Graffiti Künstler kategorisiert, doch das bleibt schwierig. Auch er selbst distanzierte sich davon. In einem Interview von 1986 sagte er:
„Mein Werk hat nichts mit Graffiti zu tun, die meisten Leute sind einfach nur Rassisten … und sie reden endlos über Graffiti, obwohl ich mich selbst gar nicht für einen Graffitikünstler halte. Sie haben dieses Bild von mir: der Wilde auf der Flucht, der wilde Affenmensch oder was zum Teufel sie auch denken.“ [2]
Auch wenn poetisch konzeptuelle Graffitis essentieller Bestandteil seines Werkes waren.
Basquiat polarisierte, entweder die Kritiker liebten und feierten ihn und seine Kunst oder aber sie verachteten ihn und verfluchten sein Schaffen. Das Problem lag zu einem wichtigen Teil darin, dass die meist weißhäutige Kritikerszene der damaligen Zeit Basquiats Kunst missverstand. Sie sahen vornehmlich die rassistischen Vorwürfe und nicht die kritischen Äußerungen in Verbindung mit ästhetischen und malerischen Elementen. Basquiats erste Retrospektive fand erst im Jahr 1992 im Whitney Museum in New York statt.
“Basquiat was … a populist postmodernist. He belongs to a black tradition, well established by our musicians, of making work that is heady enough to confound academics and hip enough to capture the attention span of the hip-hop nation.”[3]
Türen, Fensterrahmen, Wände, Leinwände, nichts blieb vor ihm verschont. Er bemalte alles. Und er collagierte Baseball- und Footballkarten. Seine Bildwelt ist oft roh und sehr lebendig, Textfragmente und Wörter finden sich immer wieder. Dies rührt von seiner Belesenheit, bereits mit vier Jahren konnte er lesen und schreiben. Er sah sich selbst auch nicht als Maler, nicht direkt jedenfalls, eher als Schreiber und Texter, denn die Schrift hatte eine besondere Rolle in seinem Schaffen. Wörter strich er durch oder integrierte sie als festen Bestandteil mit ins Bild, nutzte verschiedene Sprachen, Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch.
Zusammen mit einem Freund aus der Schule bekritzelte er ab 1977 verschiedenste Wände in SoHo, dem damaligen Galerienviertel New Yorks, mit Textfragmenten, die sowohl sozial- als auch gesellschaftskritisch waren. Diese signierten beide mit SAMO©, einer Abkürzung für „same old shit“. Dies bezeichnete im Slang der Schwarzen damals rassistisch unverändert geprägte Verhältnisse in den USA. Die ganze Kunstszene wusste zunächst nicht wer hinter den politisch motivierten Nachrichten steckte. Richtige Graffitis waren es jedoch nicht, es waren Beobachtungen jener Zeit, einfach ein paar öffentlich zur Schau gestellte Sätze, die ironisch waren und von Bildung gezeichnet. Das Ende von SAMO© vollzog Basquiat in dem von 1981 entstandenen Bild „Cadillac Moon“, hier strich er SAMO© einfach durch und ersetzte es durch seinen Namen. Die Botschaften sind durch Henry Flynts fotografischen Dokumentationen erhalten geblieben.
Keith Haring sagte über Basquiat:
„Er hatte Inhalte zu bieten, doch nicht nur darin hob er sich von der Graffitiszene ab. Er schrieb nicht auf U-Bahn-Waggons, sondern auf Häuserwände, dort, wo seine Streifzüge ihn hinführten. Und meistens führten sie ihn nach SoHo, wo die Galerien waren und wo seine Altersgenossen und Seelenverwandten lebten und herumhingen“.[4]
Basquiat ist sicherlich nicht Pop, nicht Pop Art. Auch wenn er in dieser Zeit arbeitete, auch wenn er mit Warhol, dem Pop Art Künstler schlechthin, zusammenarbeitete. Er war intellektuell, sensibel und kritisch, genauso wie seine Arbeiten. Er griff persönliche und gesellschaftliche Themen auf. Verarbeitete seine eigenen Schicksalsschläge, so war er zum Beispiele lange ohne Wohnung, sein Vater soll ihn geschlagen haben. Er kämpfte mit rassistischen Vorurteilen, weil er schwarz war. All diese Traumata setzte er auf der Leinwand um. Das machte ihn unsterblich, das revolutionierte das Denken der damaligen Zeit.
Im Jahr 1983 vereinte der Galerist Bruno Bischofberger die drei Künstler Andy Warhol, Francesco Clemente und Jean Michel Basquiat, eine kreative Zusammenarbeit entstand. Jeder der drei stand für einen anderen Stil, Warhol vermittelte mit seiner Kunst etwas in Massen Produziertes, etwas Kühles und „Cleanes“, Clemente brachte mystische und traumhafte, ja, an den Surrealismus erinnernde Elemente mit ein und Basquiat trug mit seiner ausdrucksstarken, schwungvollen und auch oft wütenden Malgeste dazu bei. Genannt wurde der Zusammenschluss „Collaborations“.
Wird Basquiats Werk neben das Cy Twomblys gesetzt, werden Parallelen, ähnliche Ideen beider Künstler deutlich. Beide arbeiten mit verschiedenen Materialien, beide nutzen Schriftzeichen und Kritzeleien, dies sticht direkt ins Auge. Twombly der Poetischere der beiden, Basquiat der Radikalere und weniger subtile Künstler. Dennoch fanden beide Künstler neue Wege für die Kunst. Basquiat bediente sich Twombly als Vorbild.
In Basquiats Werk kamen so viele Elemente zusammen, es ist facetten- und ideenreich, so dass eine kunstgeschichtliche Einordnung überdrüssig bleibt. Zudem würde dieser Schritt der Bedeutung und auch der Vielfältigkeit Basquiats nicht gerecht. Der junge Künstler, der 1982 als bis dahin jüngster Künstler an der documenta in Kassel teilnahm, arbeitete unmittelbar auf den Untergrund, vermischte einen gestischen Pinselstrich mit Schriftzeichen, baute Schicht für Schicht auf, strich durch, überarbeitete und malte einfach. Basquiat verwendete im Grunde alles für seine Bilder. Seine Zeichen, die immer wieder auftauchten, nannte er „facts“.
„Meine facts hole ich mir aus Büchern. Sachen über Zerstäuber, den Blues, Methylalkohol, Gänse im ägyptischen Stil. Ich beziehe meine Anregungen aus Büchern. Was mir gefällt, erscheint in meinen Bildern. Ich übernehme nicht die Verantwortung für meine facts. Sie existieren ohne mich. Eine Speisekarte in einem Restaurant ist ein Bild. Vielleicht esse ich den Schweinebraten nicht, aber sein Bild lebt weiter. Das Menü, die Schrift, sie existieren weiter ohne mich“.[5]
Jean Michel Basquiat hinterließ nach seinem Tod rund 1000 Gemälde und 2000 Zeichnungen, ein umfangreiches Schaffen. Er polarisiert heute wohl immer noch. Auf
Auktionen werden seine Gemälde für hohe Summen gehandelt, doch das ist scheinbar kein Indikator für Gefälligkeit. Nicht jedem ist Basquiats Schaffen zugänglich, nicht jeder kann mit der Vielschichtigkeit etwas anfangen, nicht jeder sieht in ihm ein Talent. Aber hier bleibt zu sagen: Gott sei Dank. Ein gefälliges Werk wäre doch auch langweilig. Der Kunstmarkt ist sowieso bestimmt nach anderen Aspekten.
Basquiat wurde nur 27 Jahre alt, er starb an einer Überdosis Drogen. Doch in den wenigen Jahren schaffte er es, die Kunstwelt zu verändern, zu erneuern. Er verwendete neue Elemente in der Malerei und vermittelte politisch aufgeladene und nachdenkliche Aussagen. Er war Bestandteil einer neuen Ära und prägte mit seinen Ideen und seiner Kreativität die Malerei der 1970er und 80er Jahre.
Wir sollten doch einmal darüber nachdenken die Welt zu verändern, sie aufzuwecken, neue Revolutionen anzuzetteln, vielleicht durch Kunst. Neues schaffen, bewegen, animieren, motivieren und inspirieren, durch Kunst. Vielleicht hilft das Werk Basquiats neue Sichtweisen für dieses Unterfangen zu gewinnen. Neue Schritte zu gehen, zu revolutionieren, rebellisch zu sein. Sein Selbstzerstörungswahn kostete ihm letztlich das Leben, doch er bleibt unvergessen durch seine eigene Revolution.
[1]https://www.interview.de/kunst/basquiat-unkown-notebooks/
[2]Kieth Haring: Remembering BasquiatIn: Vogue.November 1988, S. 230–234.
[3]Greg Tate, In: Marshall, Richard (Hrsg.): Jean-Michel Basquiat.New York: Whitney Museum of American Art 1992. S. 56.
[4]https://www.galeriekronsbein.com/de/kuenstler/Jean-Michel-Basquiat.htm
[5]http://www.baskultur.info/kuenste/kunst/136-basquiat
Schreibe einen Kommentar