In meinen doch recht jungen Jahren habe ich fast jede Seite der Kunstwelt kennengelernt:
In einer Kunstschule war ich von 6-20 Jahren, habe Kurse gegeben und gebe sie noch, im Auktionshaus habe ich horrende Preise erlebt, eine kleine Galerie in Köln eröffnet und geführt, Bühnenbilder hergestellt, Wände in Versicherungsbüros mit Logo und Co. bemalt, Auftragsarbeiten für eine Finca auf Mallorca gemalt, Illustrationen für ein Kulturmagazin aus Köln und Kinderbücher mit Fischen und Haien gemalt, Schaufensterpuppen mit Airbrush geschminkt, in der Disko Karikaturen von Betrunkenen gezeichnet, auf einer Hochzeit Portraits von 38 Gästen ( in 6 Stunden!) angefertigt, im Museum als Kunstvermittlerin jeder Art von Mensch Kunst erklärt, oder einfach darüber diskutiert, dann natürlich noch ein 6 jähriges Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf , nachdem ich ein Jahr Kunstgeschichte in Bonn zum Übergang zur Akademie bewältigt habe und vor Trockenheit dieses Studienganges das Husten kaum los geworden bin.
Kurz gesagt: Ich kenne nicht nur fast jede Seite der Kunstwelt, sondern auch unzählige Menschen, die in verschiedenen Formen an die Kunst heran treten und ein jeweiliges Verständnis und unterschiedliche Definitionen von Kunst haben.
Gerade in den kunsthistorischen Vorlesungen habe ich meine Professoren angesehen und dachte mir, ob Sie je in einem Atelier zu Besuch waren, je terpentingetränkte Luft gerochen und bei einer Zigarette um vier Uhr morgens über einen besonderen Rotton diskutiert haben. Besonders schockiert hat mich dann im Museum Ludwig, dass die Masterstudentinnen der Kunstgeschichte bei einem Brancusi nicht sagen konnten, ob seine Skulptur aus Gips oder Marmor ist. Ich als einzige Künstlerin unter den ganzen Wissenschaftlerinnen brauchte nur einen flüchtigen Blick um das zu beantworten.
Ich stehe also da im Museum, es ist Tag der offenen Tür und alle Kölner kommen bis 22 Uhr umsonst rein, was natürlich auch heißt, dass Menschen dieses Angebot in Anspruch nehmen, die eigentlich keine Berührung mit Kunst haben- ist ja schließlich umsonst! Da kann man ja einfach mal gucken!
Diese Leute erkenne ich direkt daran, dass sie vor einem Bild von Dali besonders lang stehen bleiben, weil es sie von der handwerklichen Fertigkeit anzieht und beeindruckt, an einem Yves Klein ziehen sie schnell vorüber.
Und ich muss sagen, diese Leute faszinieren mich immer mehr als ein Kunsthistoriker, der schon 4 Bücher zu Tonwerten in der niederländischen Malerei des 16. Jahrhunderts veröffentlicht hat. Warum? Sie können Kunst noch fühlen! Ihre Poren sind noch nicht verstopft mit Theorie und lateinischen Inschriften. Sie können vor einem Bild stehen und einfach nur Assoziationen haben, sich eigene Geschichten dazu überlegen und fühlen. Sie sind dem Gefühl und dementsprechend der Intention des Künstlers dadurch vielleicht noch näher und selbst wenn dem nicht so ist, kann ihnen ein Kunstwerk eher etwas sagen und sie berühren, als wenn sie direkt ihr ganzes Wissen zum historischen Kontext, zum Künstler und seinen Einflüssen im Kopf haben. Wenn ich ein Kunstwerk fertig habe, dann frage ich immer zuerst meine Freunde, die rein gar nichts von Kunst wissen, was es in ihnen auslöst und woran es sie erinnert. Das öffnet mir meist Perspektiven, die meine Kunst wirklich bereichern. Und wenn sie eine Farbe an ein Bild aus Ihrer Kindheit erinnert oder eine Form bei einer Skulptur aussieht wie eine Banane: Ist doch total gut! Dann kann derjenige das Bild ansehen und in seinem Kopf fühlt er sich in eine andere Zeit versetzt oder kriegt bei einem Bild Appetit auf Obst. Am Ende ist es immernoch „nur“ ein Bild. Ein Keilrahmen, bespannt mit Stoff und aufgetragener Farbe. Trotzdem kann diese ausgewählte Anhäufung von Material uns vielleicht sogar zu Tränen rühren! Ebenso ist es ja auch mit Musik, Theater, Literatur etc..
Es gibt nur Leute, die viel gelernt und studiert haben und deswegen meinen etwas besser zu wissen als andere. Aber in der Kunst geht es eben nicht nur um Wissen, sondern ganz besonders um unvoreingenommene Wahrnehmung und eine Wirkung, die jeder mit nach Hause nehmen kann. Diese Wirkung muss nicht positiv sein. Es kann auch wütend machen, erschrecken oder anekeln.
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