Meine Freundin drückt nur bei Bildern im Internet auf den „gefällt mir-Button“, von denen sie weiß, dass diese auch zu ihrem fiktiven Image passen. Ich habe mir mal angesehen, welche Fotos sie bei Instagram und Co. online stellt und mich gewundert. So kenne ich diese junge Frau gar nicht, etwas lethargisch, leise und auch unnahbar und kühl wirkt sie in den sozialen Netzwerken. In der realen Welt ist sie offen, hat einen schrägen Humor und ist nicht kühl, sondern eher warm bis heiß in ihrem Temperament..
Wollen wir nur noch Menschen erschaffen, Images nach außen tragen und damit spielen, wie sie doch in der Welt auf den kleinen Bildschirmen funktionieren. Menschen denen sie glauben und ihr Leben für eine beneidenswerte Wahrheit halten?
Wenn ich durch eine Ausstellung gehe, kann ich ein Kunstwerk um schreiten, es riechen, es im Tageslicht sehen und im Gespräch mit Künstler, Galerist oder Besucher Aspekte daran finden, die mich von Abscheu zu Verliebtheit führen können.
Ist es so auf dem Handy oder Laptop? Sitze ich lange davor, stelle mir vor, wie es an meiner Wand hängt und ob es tatsächlich passt, oder gehe ich als Käufer nicht doch auf Nummer sicher und nehme das Bild das „hübsch“ ist und wie man sich zwischen den Künstlerkollegen immer verachtend zuraunt „über´s Sofa passt“?
Zig Galerien ziehen mit, verzichten auf die horrenden Mieten in den Großstädten und steigen schnell in den Online-Markt ein, bevor die Konkurrenz zu groß wird. Vergessen ist die Zeit der IKEA-Bilder…viel zu oft kam man ins Wohnzimmer von neuen Freunden und entdeckte dort das gleiche schwarz-weiße Bild mit der roten Telefonzelle, oder dem gelben Taxi. Die Auswahl im Internet hingegen ist viel zu groß um dem gleichen Bild bei anderen Leuten zu Hause über den Weg zu laufen. Unikate gibt es auch schon zu kleinen Preisen, Supermärkte in denen man Bilder abgepackt in Folie kaufen kann, die ein Straßenkünstler in New York einzeln angefertigt hat.
Da sollen doch die Reichen sich um die echte Kunst von Modigliani und Munch gegenseitig überbieten. Dass sie mit dem Geld für ein einziges Bild die Schuldenkrise eines ganzen Landes bereinigen könnten realisieren sie dabei gar nicht! Wir leben in einer wirklich abstrakten Welt, einer paradoxen Welt, die sich am deutlichsten auf dem Kunstmarkt zeigt.
Es zeigt sich leider schon auf den Kunstakademien, dort gibt es auch meist nur schwarz oder weiß. Diejenigen, die ihren Traum und ihre Leidenschaft ausleben möchten, fleißig sind und sich jede Leinwand vom Mund absparen müssen, viele Jobs gleichzeitig haben, um sich dieses Studium überhaupt leisten zu können. Oder es gibt diejenigen, die aus wohlhabenden Familien kommen, die während der Semesterferien zur Inspiration die Welt bereisen, keine Grenzen dabei haben ihre Ideen mit jedem Material umzusetzen und dann auch schon die Käufer ihrer Werke im Bekanntenkreis der Familie haben und sich dadurch natürlich auch oft nicht schwer tun andere Kontakte in den oberen Schichten zu knüpfen, die den Weg auf den Kunstmarkt begünstigen.
Dieses Gefühl wollen auch die Museen am Leben erhalten, natürlich auch ihres Überlebens wegen. Auch Museen müssen Geld verdienen! Daher folgen sie dem Trend des Onlinemarktes und suchen Wege den Betrachter der Zukunft zu locken und das Gefühl von Kunst mit den medialen Möglichkeiten der heutigen Zeit zu verknüpfen.
Es gibt zurzeit eine Revolution in der Kunstvermittlung, die Besucher und die neuen Trends versucht zu fangen. Dabei sind Veranstaltungen bei denen Besucher speziell eingeladen werden Selfies mit den Kunstwerken zu machen, die sie unter einem Hashtag dann online stellen und damit gelichzeitig für das Museum werben. In größeren Städten gibt es die „Nacht der Museen“, wo im Museum zum Beispiel der gerade angesagteste DJ der Umgebung auflegt, dazu gibt es Bier, Sekt und Cola.
Bei uns in Köln im Museum Ludwig ist es das Programm der Kunstdialoge, das einen neuen Weg in der Kunstvermittlung beschritten hat. Bei diesem geht es nicht mehr um die trockene Faktenüberlieferung zu diesem Werk und dem Künstler, sondern um ein offenes Gespräch, dem man sich anhängen kann und auch wieder ausklinken, wenn man alleine weiter durch die Flure ziehen möchte. Das Feingefühl der Vermittler ist dabei ein wichtiger Faktor Ihrer Ausbildung, damit sie direkt merken, welche Besucher sie wie ansprechen und wofür er oder sie sich wohl bei den Kunstwerken interessieren könnte und Ihnen dann diese Infos locker im Dialog zu vermitteln.
Natürlich macht sich diese Revolution in der Kunstvermittlung auch beim Fernsehen bemerkbar. Bei ARTE werden Künstlerinnen bei einer Sendung namens:„Künstlerinnen kuratieren“ dazu aufgefordert eine virtuelle Ausstellung zusammenzustellen, die Werke von Künstlerinnen ihrer Wahl zeigt.
Den Formaten bzw. der Installation ist dabei keine Grenze gesetzt und über das Smartphone kann man dann diese Ausstellung in 3D besuchen, die während des Gesprächs mit der jeweiligen Künstlerin als Modell entstanden ist.
Trotz dieser starken Tendenzen im Online Business der Kunstwelt glaube ich, vertraue ich darauf(!), dass die Begegnung von Betrachter und Kunstwerk noch immer eine Magie beinhaltet. Ich habe es an meinen eigenen Werken gesehen, erlebt wie Leute ihre eigenen Assoziationen so stark in meinen Werken wieder fanden, dass sie mich anstrahlten, oder es sie auch beklemmte. Für mich immer noch der aufregendste Moment, wenn ich mich mit meinen Werken einem Publikum öffne und die ersten Reaktionen erhalte.
Diese Wirkung kenne ich ganz pur von einem Bild, das mich als kleines Kind schon gefesselt hat. „Die Frau mit dem blauen Hut“ von August Macke hatte einen so durchdringenden Blick, dass es mir Tränen in die Augen getrieben hat, als ich sie vor wenigen Monaten das erste Mal live im Museum vor mir hatte.
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