Zünfte und Gilden. Begriffe, die heute in weiter Vergangenheit liegen und die in ihrer Herkunft heute so nicht mehr verwendet werden. Doch die Modelle sind gar nicht veraltet oder gar überholt, nur die Begrifflichkeiten andere. Nachfolgermodelle sind beispielsweise Gewerkschaften, Handwerkerinnungen oder gar Kartelle.
Zünfte und Gilden waren Zusammenschlüsse, die hierarchisch geordnet wurden und Arbeitern in früheren Zeiten organisierten. Besonders im alten Holland und Deutschland hatten Gilden und Zünfte Hochzeiten erlebt. Sie entwickelten sich im Mittelalter und waren bis ins 19. Jahrhundert als die Industrialisierung begann maßgebend. Zünfte fanden ein Ende im Laufe des 19. Jahrhunderts mit der Einführung der Gewerbefreiheit.
Gemeinsame Interessen bildeten seit jeher die Grundlage der Zusammenschlüsse. Zunächst war eine Gilde oder Zunft ein durch einen Schwur besiegelter Zusammenschluss von Händlern und Kaufleuten um gemeinsame Interessen zu wahren und diese schützen zu können. Weitergefasst wurden noch Handwerkergenossenschaften damit eingeschlossen. Diese wurden aber um eine Unterscheidung vornehmen zu können, Zünfte genannt. Überschneidungen können aber dennoch stattfinden, da in einigen Sprachen hier auch das Wort Gilde auftauchte. So können beide Begriffe im weiteren Sinne zusammengefasst werden. So zum Beispiel in England, „guild“ bezeichnete beides, hier trennte man nicht und unterschied nicht mit den Begrifflichkeiten.
Ja, und was hat das nun mit Kunst zu tun? Die Antwort ist gar nicht so abwegig, Künstler wurden in vergangenen Jahrhunderten als Handwerker angesehen und hatten nicht den unabhängigen Status, den sie heute haben. Es dauerte eine Zeit bis sich das Selbstbewusstsein der Künstler dahingehend entwickelte wie es beispielsweise in der modernen Kunst des 20. Jahrhunderts der Fall war.So organisierten sich in damaligen Zeiten auch bildende Künstler in Zünften. Der Beruf des Malers oder Bildhauers war lange als Handwerkerberuf kategorisiert und nicht wie im zeitgenössischen Verständnis als eigenständiger, autonomer künstlerischer Beruf. Erst mit der Loslösung von kirchlichen und adeligen Auftraggebern und der Entwicklung eines intellektuellen und künstlerischen Selbstbewusstseins, kam die Unabhängigkeit von Zünften. Jedoch entwickelten sich andere Abhängigkeiten, die mit der Entwicklung eines Kunstmarktes einhergingen.
Im 13. Jahrhundert entstanden auch in Florenz Zünfte, die die Kunsthandwerke unterteilten. Hier gab es wichtige Hierarchien. „Arti Magiori“ wurden die edlen Berufe wie Maler und Bildhauer genannt, wohingegen „Arti Minori“ die niederen berufe wie Schmied oder Steinmetz waren. Leopold II. schaffte 1770 die Zünfte bzw. Gilden in Florenz ab. In den Niederlanden hingegen hatten Zünfte und Gilden um diesen Zeitraum herum ihren Höhepunkt.
Zunft und Gilde sind die gängigeren Begriffe, daneben können auch folgende Begrifflichkeiten Verwendung finden: Gaffel (erinnert die Kölner an das Kölsch), Einung, Innung oder Zeche. In einer Zunft versammelten sich die Handwerker, in einer Gilde die Kaufleute. Es gab daneben auch, aber recht selten, Söldnergilden oder Kriegergilden, die wie die ursprünglichen Zusammenschlüsse ähnlich geordnet waren. Diese Kriegergilden schützten gegen Gebühren Adelsleute oder Kaufleute zum Beispiel auf Reisen. Es waren die heutigen Bodyguards.
Zünfte und Gilden, die verschiedene Berufsgruppen umfassten, organisierten durch ihr System Dinge wie Rohstofflieferungen, Beschäftigungszahlen, Löhne und Preise und sogar die Witwenversorgung, zudem noch die Absatzmengen. Doch sie agierten nur innerhalb der Städte, außerhalb waren die Handwerker und Kaufleute selbstständig. Jede Zunft hatte ein eigenes Wappen und zugehörige Kleidung. Vorteile einer durch die Zunft reglementiertes System bestand darin, dass die Mitglieder ein faires Einkommen erhielten und das Preis-Leistungsverhältnis für die Kunden durch das Ausschalten eines Wettbewerbes konstant blieb.
In früheren Zeiten waren Zünfte und Gilden wichtig. Die Handwerker und Kaufleute, die sich so organisierten, hatten mehr Rechte und mehr Vorteile als selbstständige Handwerker, die nicht Mitglied eines Zusammenschlusses waren. Meist waren sie institutionell beschränkt, das heißt begrenzt auf ein jeweiliges Einzelhandwerk. Es gab Lehrlinge, die zu Gesellen werden konnten und diese wiederum zu Meistern. Dies war die soziale Rangfolge, die Hierarchie, die zu beachten war und durch die Zunft organisiert und reglementiert wurde.
Es gab bestimmte Voraussetzungen um Meister in dem jeweiligen Beruf zu werden. Diese waren folgende:
Darüber hinaus gab es je nach Zunft oder Stadt noch weitere Bedingungen. Der Handwerksberuf war demnach sehr geordnet und organisiert und auch angesehen. Sie regelten die Anzahl der Handwerker in der jeweiligen Stadt, so dass dies kontrolliert war und die Konkurrenz nicht zu groß wurde. Es gab für Besprechungen und Zusammenkünfte der Meister, die die wichtigen Entscheidungen trafen, für jede Organisation einen festen Ort. Doch auch die Gesellen trafen sich regelmäßig zu Versammlungen. Wichtig war hier das Zusammengehörigkeitsgefühl.
Das Zunftrecht war maßgebend für Zünfte, hier wurde die Struktur reglementiert. Außerhalb der Städte war das Handwerk zunftfrei und es gab kein Zunftrecht. Innerhalb der Zünfte selbst herrschte Selbstverwaltung, das heißt die Meister wählten ihre Vorsteher selbst oder kümmerten sich eigenständig um ihre Geldangelegenheiten.
Die ersten Gilden gab es nachweislich im heutigen Frankreich seit dem 8. Jahrhundert. In Deutschland bzw. auf deutschem Boden gibt es die ersten Zusammenschlussnachweise aus der Zeit Heinrichs I., um 926. Jedoch verstand man hier noch keine fest reglementierten und legitimierten Gilden oder Zünfte. Die Gilden wurden mit der Zeit immer machtvoller, bildeten Zentren und hatten Monopolstellungen inne. So stieg auch ihr politischer Einfluss. Ein wunderbares Beispiel ist Italien mit der einflussreichen Familie der Medici, Kaufleute, die die Macht in Florenz an sich brachten.
Zünfte existierten bis ins 19. Jahrhundert hinein. Mit der Industrialisierung änderten sich dann die sozialen und handelstechnischen Strukturen. Ein Umbruch vollzog sich. In gewissen Regionen jedoch existieren Zünfte bis heute, so zum Beispiel in der Schweiz. Die Belange wurden ab diesem Zeitpunkt dann staatlich geregelt, besonders ist dies im Hinblick auf die Berufsausbildung zu betrachten.
In den Zeiten, als die flämischen und niederländischen Meister in der Kunst Rang und Namen hatten, besonders im Barock, galt das Gruppenporträt, das eine Gilde oder Zunft darstellte als wichtiges und bedeutendes Ausdrucksmittel. Jedes Gruppenmitglied musste für sein malerisches Konterfei seinen Anteil zahlen. Fast jede Gilde besaß ein solches Gruppenporträt.
Eines der Bekanntesten Bildnisse und auch eines der Innovativsten zu der Zeit ist wohl Rembrandts „Nachtwache“ von 1642, das im Rijksmuseum in Amsterdam hängt. Der Titel „Nachtwache“ jedoch ist im Grunde falsch gewählt, der Firnis, also die letzte Schicht des Gemäldes dunkelte nach, so dass es wie ein Nachtbild wirkt. jedoch sollte es Tageslicht darstellen.
Dargestellt ist ein Gruppenporträt der Amsterdamer Schützengilde. Die Gilde stellte für ihr neues Schützenhaus insgesamt zur Hängung sieben Porträts, darunter auch Rembrandts. Besonders an diesem Werk ist die Anordnung der Figuren, die in Bewegung scheinen. In dieser Zeit war es jedoch eher üblich Gruppenbildnisse statisch und unbewegt darzustellen, zudem sollten die Hierarchie und die jeweiligen Ränge erkennbar sein, dies ist bei Rembrandt jedoch aufgehoben. Zudem fügte er noch zu den real existierenden Anhängern, weitere hinzu. Hell erleuchtet scheinen ein Mädchen und der Leutnant, alle anderen Personen sind in dunkler Farbigkeit gehalten. Das Mädchen ist eine Allegorie, sie ist also die menschliche Verkörperung der Gilde an sich.
Das Werk „Die Vorsteher der Amsterdamer Gilde der St. Sebastians-Armbrustschützen“ von Bartholomeus van der Helst aus dem Jahr 1653 hingegen ist eher klassischer Natur, dennoch mit spannendem Bildaufbau. Vier Männer sitzen links im Bild an einem Tisch und führen ein Gespräch. Einer der vier Männer sitzt auf der rechten Seite des Tisches und scheint den anderen etwas zu erklären. Im Hintergrund ist geschäftiges Treiben. Der vorderste Vorsteher sitzt seitlich zum Betrachter und schaut ihn geradewegs an. Das Bild wirkt statischer und weniger dynamisch als das von Rembrandt. Die Figuren interagieren dennoch miteinander und die geschäftige Atmosphäre ist spürbar. Die Mitglieder sind in ihrer Gildentracht gekleidet und wirken herrschaftsvoll und elegant. Das ist wohl die Ausstrahlung, die van der Helst erreichen wollte.
So kann man festhalten, dass Zusammenschlüsse dieser Art sowohl früher als auch die modernen Versionen wichtige Aufgaben erfüllten und Reglements sicher stellten, um den Wettbewerb in gesundem Maße zu beschränken bzw. auch zu fördern.
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